Für die Menschen. Für Westfalen-Lippe.

Atlas der Libellen Nordrhein-Westfalens

Arbeitskreis Libellen NRW in Zusammenarbeit mit dem LWL-Museum für Naturkunde

Der Atlas zeigt Ihnen auf Basis von Topographischen Karten das Vorkommen heimischer Libellenarten. Probieren Sie es aus.

Zwerglibelle

Nehalennia speciosa

Erstnachweis:
Nachweise im Atlas:
Anhang II :
Anhang IV:
Kartenansicht
Startjahr

Endjahr

 

Artfoto
Männchen von N. speciosa (Niedersachsen, 13.06.2010). Foto: Ikemeyer, Dietmar

Verbreitung und Bestandssituation

Nehalennia speciosa ist eine kontinentale eurasiatische Art, deren Verbreitungsgebiet sich von Mittel- und Osteuropa über Sibirien bis nach Japan im Flachland oder in vermoorten Mittelgebirgsregionen erstreckt. Während Nachweise von den Britischen Inseln nicht bekannt sind, ist die Art im südlichen Skandinavien sehr lokal verbreitet und selten (Bernard & Wildermuth 2005, Dijkstra & Lewington 2006). In vielen mitteleuropäischen Gebieten ist sie stark zurückgegangen oder ausgestorben und es existieren nur noch wenige Reliktvorkommen, die von einer ehemals weiteren Verbreitung der Art zeugen. In den Niederlanden und in Belgien ist N. speciosa seit Jahrzehnten ausgestorben (NVL 2002, de Knijf et al. 2006). Innerhalb Deutschlands befindet sich der Verbreitungsschwerpunkt im Alpenvorland, wo die Art noch größere stabile Vorkommen besitzt, an denen N. speciosa in manchen Jahren an günstigen Tagen zu mehreren tausenden Individuen fliegt (Kuhn & Burbach 1998). In Niedersachsen sind zur Zeit zwei Vorkommen aus Mooren der Hannoverschen Geest und der Südheide bekannt (Gärtner et al. 2006, Lemmel & Norenz 1986). In Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern existieren noch wenige Vorkommen mit einem meist starken Populationsrückgang (Masius 2003, Mauersberger et al. 2013). In Osteuropa (z. B. Polen, Baltikum) bestehen noch stabile, teilweise sehr große Vorkommen der Art (Bernard & Wildermuth 2005).

Die Nachweise von N. speciosa aus Nordrhein-Westfalen sind teilweise widersprüchlich und nur ein einziger Fund scheint zweifelsfrei zu sein. Dieser stammt aus der Umgebung der Kirchheller Heide aus dem „Torfmoor bei Gahlen“ und geht auf Steeger zurück (le Roi 1915a). Das genaue Fundjahr ist unbekannt, der Nachweis dürfte jedoch Anfang des 20. Jahrhunderts erbracht worden sein. Le Roi (1911) hatte den Fund anfangs irrtümlich dem Ort Weeze bei Goch (Kreis Kleve) zugeordnet, diese Diskrepanz später jedoch nicht mehr aufgeklärt. Kikillus & Weitzel (1981) haben daraufhin beide Fundorte in der Verbreitungskarte vermerkt. Gleichzeitig erwähnen die Autoren einen weiteren Nachweis aus der Umgebung von Frasselt [4201/1] aus der Zeit vor 1925, der auf den niederländischen Odonatologen Lieftinck (zit. in Greven 1970) zurückgeht.


Potentielle Habitate dürften in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts durchaus noch häufiger existiert haben. Ob unter heutigen Bedingungen infolge der Entwässerung und Eutrophierung vieler Zwischen- und Hochmoore in Nordrhein-Westfalen noch geeignete Habitate vorhanden sind, ist unklar. N. speciosa muss damit in Nordrhein-Westfalen zurzeit als ausgestorben gelten.

Lebensräume in Nordrhein-Westfalen

Die von Nehalennia speciosa in Nordrhein-Westfalen besiedelten Habitate sind bei den wenigen Meldungen ohne Hinweis auf Reproduktion nicht genau zu rekonstruieren. In den übrigen deutschen Bundesländern ist N. speciosa an ausgedehnte Seggenbestände [v. a. mit Carex limosa (Schlamm-Segge) und Carex lasiocarpa (Faden-Segge)] und relativ konstanten, niedrigen Wasserstand gebunden. Von Natur aus ist das langfristig in Schwingrasen von Moorseen oder in Mooren mit reguliertem Wasserstand gegeben (Sternberg & Buchwald 1999, Kuhn & Burbach 1998). Bei den in Niedersachsen besiedelten Lebensräumen handelt es sich um alte, bäuerliche Handtorfstiche, an denen N. speciosa sich als Imago bevorzugt in den von senkrechten Vegetationsstrukturen geprägten Uferbereichen mit Eriophorum angustifolium (Schmalblättriges Wollgras) und Molinia caerulea (Pfeifengras) aufhält. Die in wenigen Metern Entfernung von Kiefernwäldern umgebenen, reich strukturierten Fortpflanzungsgewässer liegen dabei im Übergangsmoorbereich mit pH-Werten zwischen 3,8 und 4,3 (Gärtner et al. 2006). In Nordrhein-Westfalen sind derartige Habitate heute weitgehend verschwunden.

Phänologie in Nordrhein-Westfalen

Über die Phänologie von Nehalennia speciosa lassen sich auf Grund der spärlichen historischen Nachweise keine Hinweise ableiten. In anderen deutschen Bundesländern fliegt N. speciosa fast ausschließlich von Anfang Juni bis Anfang August und gehört zu den Arten mit einer relativ kurzen Flugzeit (Bernard & Wildermuth 2005).

Gefährdung und Schutz

Nehalennia speciosa ist in Deutschland „vom Aussterben bedroht“ (Ott et al. 2015) und in Nordrhein-Westfalen „ausgestorben“ (Conze & Grönhagen 2011). Die Art gehört zu den streng geschützten Arten.

Auf Grund der Habitatansprüche ist ein Wiederfund der Art in Nordrhein-Westfalen nicht zu erwarten. Entsprechende Habitate stehen insbesondere infolge der trocken-warmen Sommer der letzten Jahre momentan nicht oder nicht ausreichend zur Verfügung. Sollte die Art dennoch wiedergefunden werden, sind entsprechende Vorkommen mit höchster Priorität zu schützen und zu sichern.

Zitiervorschlag

Schmidt EG, Hennigs S (2024): Zwerglibelle (Nehalennia speciosa). In: AG Libellenkunde NRW — Online-Atlas der Libellen Nordrhein-Westfalens. Heruntergeladen von libellenatlas-nrw.lwl.org am 05.12.2024

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