Scharlachlibelle
Ceriagrion tenellum
Erstnachweis:
Nachweise im Atlas:
Anhang II :
Anhang IV:
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Startjahr
Endjahr
Verbreitung und Bestandssituation
Ceriagrion tenellum ist eine atlantomediterrane Art, die in Nordafrika und Westeuropa ostwärts bis Slowenien, Kroatien, Albanien und Kreta verbreitet ist (Dijkstra & Lewington 2006). In Großbritannien ist sie nur aus dem Süden bzw. Südosten bekannt (Brooks 1997, Corbet & Brooks 2008), während sie in Frankreich vor allem im Westen und Süden weit verbreitet ist (Grand & Boudot 2006). In den Niederlanden kommt C. tenellum schwerpunktmäßig im Osten und Süden des Landes vor und gehört hier zu den häufigeren Arten (NVL 2002). Die belgischen Vorkommen liegen in den Sandgebieten der Provinzen Limburg und Antwerpen (de Knijf et al. 2006). Aus Deutschland ist die Art vornehmlich aus dem Nordwesten bekannt, wo sie sich in den letzten Jahren ausgebreitet hat (Clausnitzer et al. 2007, Jödicke 2007). Eine große Anzahl von Vorkommen befindet sich in den Bundesländern Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, die mit den niederländischen Vorkommen in Verbindung stehen. Ein weiterer, deutlich kleinerer Verbreitungsschwerpunkt liegt im Bodenseegebiet und dem angrenzenden baden-württembergischen Alpenvorland (Sternberg & Buchwald 1999, Jödicke 2007). Weitere Einzelvorkommen sind auch aus Sachsen-Anhalt (Müller 1984), Mecklenburg-Vorpommern (Mauersberger 2007) und Brandenburg (Brauner 2009) bekannt.
In Nordrhein-Westfalen gehört C. tenellum bislang zu den seltenen Arten und ist auf das Flachland beschränkt, wobei ein Großteil der Nachweise unter 100 m ü. NN liegt. Der höchste Fundpunkt mit Nachweis der Bodenständigkeit liegt auf 140 m ü.NN (NSG Siebengebirge [5208/4]). Imagines konnten bis zu 220 m ü.NN festgestellt werden (NSG Kalkarer Moor [5306/4]). Ein Vorkommensschwerpunkt befindet sich im Rheinland, wo die Art seit Jahrzehnten aus dem Naturpark Maas-Schwalm-Nette und in dem NSG Teverener Heide [5002/1+3] bekannt ist (Krüner 1986; Aletsee 2006b). Weitere Vorkommen aus dem rheinländischen Landesteil existieren in der Wahner Heide (Barbon 1996) und im NSG Thielenbruch [5008/2].
In Westfalen hat C. tenellum ihren Verbreitungsschwerpunkt im Westmünsterland (v. a. Kreis Borken) (Olthoff & Ikemeyer 2003, 2011, Olthoff 2010) und in der Kirchheller Heide (Kikillus & Weitzel 1981, Menke & Conze 2005).
Die Populationsgrößen sind im Rheinland über Jahre konstant. Dabei ist zu erwähnen, dass die heutige Verbreitung der Art im Rheinland noch zu großen Teilen der historischen Verbreitung entspricht (vgl. le Roi 1915a; Kikillus & Weitzel 1981). Etwas anders stellt sich die Entwicklung der Art in Westfalen dar. Während Gries & Oonk (1975) die Art in der zweiten Hälfte des 19ten Jahrhunderts für Westfalen als selten angeben, scheint sie sich hier - vergleichbar mit der Entwicklung in Niedersachsen (Clausnitzer et al. 2007; Jödicke 2007) - in den letzten Jahren auszubreiten. So kann die Art aktuell in sieben von zehn untersuchten Moorgebieten im Kreis Borken nachgewiesen werden (vgl. Kap. xxx). Dabei wurden die höchsten Individuenzahlen im Amtsvenn-Hündfelder Moor [3807/2] beobachtet, wo über tausend Individuen gezählt werden konnten (Olthoff & Ikemeyer 2011). Weitere Vorkommen in Moor- und Heidegebieten Westfalens sind ebenfalls erst in den letzten Jahren bekannt geworden, so z.B. in den NSG’s Schwattet Gatt [3907/1] und Heiliges Meer [3611/2+4] (Chen 2008) sowie im Crosewicker Feld [3906/1], dem TÜP Borkenberge [4209/2] (Olthoff & Schmidt 2009) und dem Wessendorfer Heidemoor [4207/2] im NSG Wessendorfer Elven. Möglicherweise sind einige dieser Vorkommen in der Vergangenheit aber auch nur übersehen worden. Sicher ist, dass die Art bereits seit langem zur einheimischen Libellenfauna unserer Moore gehört. So konnte C. tenellum bereits in den 1930er im Zwillbrocker Venn [3906/3], im Burlo-Vardingholter Venn [4006/3+4] und im Deutener Moor [4207/4] (Beyer 1938; Wassink 1933) festgestellt werden, wo sie auch heute noch nachgewiesen werden kann. Auch Kolbe (1886) führt Funde der Art aus dem ehemaligen Großen Moor zwischen Coesfeld und Stadtlohn auf.
Einzelne, in den vergangenen Jahren intensiver untersuchte Gewässer, wie beispielsweise ein kleines, ehemaliges Abgrabungsgewässer in der Kirchheller Heide, sind ausgesprochen individuenreich. So konnte an diesem Gewässer im Verlauf einer Vegetationsperiode eine Population von mehr als 1.000 Tieren festgestellt werden (Conze & Menke 2005). Sicherlich führen solche „Spenderpopulationen“ auch zu einer zumindest vorübergehenden Besiedlung in der Nähe befindlicher Kleingewässer. So liegen insbesondere in den letzten Jahren mehrere Beobachtungen von C. tenellum aus scheinbar ungeeigneten Gewässern wie Gartenteichen und Rekultivierungsgewässern vor, wo die Art über mehrere Jahre, teils mit Fortpflanzungsnachweisen, beobachtet werden konnte.
Lebensräume in Nordrhein-Westfalen
Ceriagrion tenellum besiedelt im Rheinland vor allem Heidegewässer, -gräben und -moore sowie nährstoffarme Gewässer in Tonabbaugebieten. Die Gewässer haben eine Größe zwischen 50 m2 (z. B. Flachsrösten) und mehreren Hektar. Wichtig scheint das Vorhandensein von Wasserdurchfluss, Grundwasser- oder Quelleinfluss zu sein, wodurch eine längere Eisfreiheit im Winter gewährt ist. Auf Grund der zweijährigen Entwicklungszeit der Larven werden jährlich austrocknende Gewässer nicht besiedelt. Es werden stark strukturierte Bereiche angenommen, wie beispielsweise Juncus effusus-Bestände (Flatter-Binse) mit Sphagnum spp. (Torfmoose). Die Art toleriert einen pH-Bereich von 4 - 8 (Krüner 1989b, 1993). Besonders hervorzuheben ist das bereits seit Jahrzehnten bekannte Vorkommen im NSG Thielenbruch [5008/1], wo die Art zusammen mit Coenagrion mercuriale (Helm-Azurjungfer) und Orthetrum coerulescens (Kleiner Blaupfeil) einen kleinen Kalkquellsumpf besiedelt (Menke & Röhr 2006).
Auch in Westfalen besiedelt die Art bevorzugt nährstoffarme Moor- und Heidegewässer, insbesondere alte Torfstiche, dystrophe Moorgewässer und Heideweiher. Als Reife- und Jagdhabitat nutzt C. tenellum oftmals die angrenzenden Bestände von Molinia caerulea (Pfeifengras). Hier ist die Art trotz ihrer auffallend roten Färbung hervorragend getarnt. Die Präferenz für dystrophe Moor- und Heidegewässer wird auch für die angrenzenden Niederlande (NVL 2002) und Niedersachsen (Clausnitzer et al. 2007; Jödicke 2007) beschrieben. Eine Beschränkung der Art auf fließende Gewässer oder solche mit Grundwasserströmung, wie Clausnitzer et al. (2007) für das östliche Niedersachsen und Krüner (1989a) für das Rheinland beschreiben, wird für Westfalen und das nördlich angrenzende Weser-Ems-Gebiet (Jödicke 2007) nicht gesehen.
Phänologie in Nordrhein-Westfalen
Die Hauptflugzeit von Ceriagrion tenellum erstreckt sich von Ende Mai bis Anfang September. Die früheste Beobachtung in Nordrhein-Westfalen gelang am 26.05. (2000), die späteste Beobachtung am 29.09. (2002). Die Larvalzeit beträgt mindestens zwei Jahre und die Schlüpfperiode kann sich über einen längeren Zeitraum erstrecken (Krüner 1989a). Die ersten Exuvien können bereits Mitte Mai gefunden werden, die letzten noch Mitte August.
Gefährdung und Schutz
Ceriagrion tenellum gilt in Deutschland als „stark gefährdet“ und in Nordrhein-Westfalen als „gefährdet“ (Ott et al. 2015; Conze & Grönhagen 2011). Die Art gehört zu den streng geschützten Arten.
Die Art ist durch Eutrophierung und Austrocknung der Gewässer gefährdet. In den Moorgebieten profitiert sie von Wiedervernässungsmaßnahmen (Clausnitzer et al. 2007). Durch die Anlage von Torfstichen und flachen, thermisch begünstigten Kleingewässern auf anmoorigen oder sandigen Böden kann dieser Libellenart gezielt geholfen werden.