Für die Menschen. Für Westfalen-Lippe.

Atlas der Libellen Nordrhein-Westfalens

Arbeitskreis Libellen NRW in Zusammenarbeit mit dem LWL-Museum für Naturkunde

Der Atlas zeigt Ihnen auf Basis von Topographischen Karten das Vorkommen heimischer Libellenarten. Probieren Sie es aus.

Sumpf-Heidelibelle

Sympetrum depressiusculum

Erstnachweis:
Nachweise im Atlas:
Anhang II :
Anhang IV:
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Endjahr

 

Artfoto
Männchen von S. depressiusculum (NSG Teiche in der Heubachniederung, Dülmen, 30.08.2009). Foto: Steinhoff, Philip

Verbreitung und Bestandssituation

Das Verbreitungsgebiet von Sympetrum depressiusculum reicht von Westeuropa über Mittel-Sibirien bis nach Japan. Die Nordgrenze verläuft in Europa über Belgien, die südlichen Niederlande und Niedersachsen (Dijkstra & Lewington 2006). In den Niederlanden tritt die Art nur selten im Süden in den Provinzen Nord-Brabant und Limburg als Wanderer beziehungsweise als Vermehrungsgast auf. Diese Vorkommen sind abhängig von einem großen Vorkommen an Kühlwasser-Teichen in Belgien unweit der Grenze zu den Niederlanden (Rutten & Kalkman 1999; Verbeek 1999).

Nordrhein-Westfalen liegt am nordwestlichen Rand des Verbreitungsgebietes und die Art gilt hier sehr selten. Das Vorkommen der kontinental verbreiteten Art an ihrem westlichen Arealrand dürfte durch die geringeren sommerlichen Temperaturen und die geringere Sonnenscheindauer limitiert sein. Das einzige aktuell beständige Vorkommen von S. depressiusculum in Nordrhein-Westfalen existiert im westlichen Münsterland an den Fischteichen bei Hausdülmen (NSG Teiche in der Heubachniederung) [4109/3], wo die Art in hoher Abundanz auftritt. Dieses Vorkommen wird aktuell durch ein der Art zusagendes Teichmanagement gesichert. An den Hausdülmener Fischteichen ist die Art bereits seit Jahrzehnten bekannt und wurde 1969 bereits als „häufig“ bezeichnet (Steinweger 1970, 1971). Darüber hinaus gelangen in Nordrhein-Westfalen bis 1995 lediglich zerstreute Funde in der Niederrheinischen und insbesondere in der Westfälischen Bucht, wo die Art vor allem in der Umgebung von Münster auftrat (Kolbe 1878). Ein weiteres Vorkommen existierte an den Rietberger Fischteichen [4116/4], wo die Art bereits 1970 als selten bezeichnet wurde (Gries & Oonk 1975) und heute nicht mehr nachgewiesen werden kann. Alle Vorkommen dieser in Nordrhein-Westfalen weitgehend auf das Tiefland beschränkten Art liegen unterhalb von 200 m ü.NN.

Lebensräume in Nordrhein-Westfalen

Der deutsche Name „Sumpf-Heidelibelle“ bezieht sich auf temporär überflutetes Grünland und Rieder wie sie beispielsweise am Bodensee zu finden sind. Diese werden erst im späten Frühjahr bis Ende Juli flach überflutet und fallen dann vom Hochsommer an trocken, so dass die Art dann über dem „Sumpf“ fliegt und Eier über wintertrockenem Gelände legt. In der Überflutungsphase erwärmen sich diese Gebiete dank des hohen Sonnenstandes und der langen Tage rasch und stark. Dies ermöglicht eine schnelle Entwicklung der Art. Sympetrum depressiusculum ist damit von Natur aus besonders an Gebiete mit nivalem Wasserregime und hoher Sommerwärme (bei oft kalten Wintern) angepasst. Diese Verhältnisse finden sich an den Vorkommen beispielsweise am Fuß der Alpen (Voralpen, Bodensee, mit aktuellen Einschränkungen auch am Oberrhein). Die Eier brauchen anscheinend eine Trockenphase nach der Eiablage. In Hausdülmen konnten Habitatpräferenz und die Schlüsselfaktoren der ökologischen Nische im atlantischen Grenzgebiet der Art ermittelt werden (Schmidt 1993). Hier ist die Art für die Entwicklung gebunden an Karpfen-Anzuchtteiche. Diese werden erst zur Karpfen-Laichzeit – je nach Witterung zwischen Mitte Mai und Anfang Juni – bespannt sowie thermisch und hinsichtlich der Entwicklung des Makro-Zooplanktons optimiert. Die Jungkarpfen bleiben bis zum Herbst in denselben Teichen. Die Dülmener Karpfenanzucht-Teiche haben einen schmalen Röhrichtsaum und eine spezifische submerse Vegetation, darunter die selten gewordenen Elatine-Arten (Tännel). Für S. depressiusculum wird damit das nivale Wasserregime mit entsprechender Thermik, Struktur und gutem Nahrungs-Angebot durch diese Wirtschaftsform simuliert. Hilfreich für die Lenkung der Eiablage auf die passenden Teiche ist es, den Wasserspiegel ab Mitte August, also nach der Hauptschlüpfzeit, so zu senken, dass der Uferstreifen und die höheren Teichboden-Partien trocken fallen. Wichtig für das Ruhen sind Hochstauden-Bereiche, wie sie sich auf den Teichdämmen einstellen. Das Mähen ist dabei so zu staffeln, dass stets ein Angebot besteht. Dort und in nicht einsehbaren Baumkronen konzentrieren sich die Imagines außerhalb der Fortpflanzungsaktivität. Außerdem bilden sich hier morgens die Tandems, die erst gegen Mittag kopulieren. Die Eiablage geschieht danach sowohl über trockenen Bereichen als auch über offenen Wasserflächen. Gleichermaßen angenommen werden Teiche, die wie die Anzuchtteiche bewirtschaftet, aber nicht mit Fischen besetzt werden. Werden die Teiche schon im zeitigen Frühjahr bespannt, so fällt die Art weitgehend aus. Wasserblüten als Zeichen für Hypertrophie ergeben sich in den Karpfen-Anzuchtteichen mit dem Größerwerden der Karpfenbrut erst im Hochsommer, also typischerweise erst nach dem Schlüpfen von S. depressiusculum.

Phänologie in Nordrhein-Westfalen

Der früheste Schlupfnachweis von Sympetrum depressiusculum an den seit 1990 intensiv untersuchten Dülmener Fischteichen ist der 25.06.(2001), im wolkenreichen Jahr 2004 begann das Schlüpfen erst am 24.07.; der späteste Schlupfnachweis stammt vom 18.08.(2009) bzw. 20.09.(1998). Die Hauptschlupfzeit liegt in „normalen“ Jahren in der zweiten Julihälfte. Der späteste Nachweis von Imagines gelang am 12.10.(2001).

Die Larval-Entwicklung beginnt etwa in der Zeit, in der die Teiche bespannt werden. Dies geschieht je nach Witterung zwischen Mitte und Ende Mai. Die Entwicklungsdauer hängt daher wesentlich von den Witterungsverhältnissen im Frühsommer ab. Die sehr späte Schlupfperdiode im Jahr 2004, in dem Frühjahr und Frühsommer extrem sonnenscheinarm waren, belegt dies. Außerdem war in diesem Sommer S. depressiusculum die Art, die in den betreffenden Teichen am spätesten schlüpfte, also die relativ längste Entwicklungsdauer hatte. S. depressiusculum hat damit offenkundig bei ungünstiger Witterung einen Konkurrenz-Nachteil, der auch bei passender Wasserführung die Nordwestgrenze des Areals bestimmen dürfte. Eine Überwinterung der Larven dürfte durch eine obligate Diapause verhindert werden.

Gefährdung und Schutz

Sympetrum depressiusculum ist in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen „vom Aussterben bedroht“ (Ott et al. 2015; Conze & Grönhagen 2011).

Die Art ist in Nordwest-Deutschland, wahrscheinlich im gesamten Norddeutschen Flachland, an anthropogene, in bestimmter Weise bewirtschaftete Teiche und damit an die entsprechende Bewirtschaftung beziehungsweise Naturschutzmaßnahmen gebunden (Clausnitzer 1977; Ewers 1996). An den Hausdülmener Fischteichen kam die Art bis in die 1990er Jahre in hoher Abundanz vor und trat mit Streufunden auch in der Umgebung auf. Ende der 1990er Jahre brach der Bestand zusammen. Die Naturschutzbehörde hatte die vormaligen Anzuchtteiche übernommen und nicht mehr abgelassen. Vom Teichgut wurde nur noch ein einzelner Teich für die kommerzielle Karpfenanzucht genutzt. Damit wurde die Mindesthabitatgröße unterschritten. Zum Schutz des Vorkommens von S. depressiusculum wurden ab 2003 die vormaligen Anzucht-Teiche wieder in ein für die Art günstiges Managementregime überführt. Hierdurch konnte der Bestand von S. depresssiusculum wieder stabilisiert werden, wenn auch zunächst noch mit geringerer Abundanz. Seit 2009 wurde wieder eine hohe Abundanz erreicht (Schmidt 2006b, 2009). Die Art ist damit von gezielten Naturschutzmaßnahmen abhängig. Der Transfer auf andere Teiche in Schutzgebieten, beispielsweise in das NSG Gagelbestand (Stallberger Teiche bei Siegburg) [5109/3], ist zu wünschen (Schmidt 1989b).

Zitiervorschlag

Schmidt EG (2024): Sumpf-Heidelibelle (Sympetrum depressiusculum). In: AG Libellenkunde NRW — Online-Atlas der Libellen Nordrhein-Westfalens. Heruntergeladen von libellenatlas-nrw.lwl.org am 05.12.2024

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