Für die Menschen. Für Westfalen-Lippe.

Atlas der Libellen Nordrhein-Westfalens

Arbeitskreis Libellen NRW in Zusammenarbeit mit dem LWL-Museum für Naturkunde

Der Atlas zeigt Ihnen auf Basis von Topographischen Karten das Vorkommen heimischer Libellenarten. Probieren Sie es aus.

Kleine Binsenjungfer

Lestes virens

Erstnachweis:
Nachweise im Atlas:
Anhang II :
Anhang IV:
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Startjahr

Endjahr

 

Artfoto
Männchen von L. virens (Lanstroper See, Dortmund, 10.09.2007). Foto: Hennigs, S.

Verbreitung und Bestandssituation

Lestes virens ist eine pontokaspische Art, die in Mitteleuropa und weiten Teilen Süd- und Osteuropas azutreffen ist. Sie kommt mit mehreren Unterarten vor, wobei der Großteil Europas und Deutschland ausschließlich von der Unterart L. virens vestalis besiedelt wird (vgl. Jödicke 1997). Ihr Verbreitungsareal reicht von Südfrankreich über Mittel- und große Teile Südeuropas bis zur Schwarzmeerküste und im Osten bis zum Altai-Gebirge (vgl. Sternberg & Buchwald 1999, Dijkstra & Lewington 2006). Die Art erreicht ihre nördliche Arealgrenze an den Küsten der Ostsee, wobei auch Teile Dänemarks und die Südspitze Schwedens besiedelt werden. In den Niederlanden und Belgien tritt sie zerstreut auf (NVL 2002, de Knijf et al. 2006). Regionale Verbreitungslücken im Bereich der Nordseeküste, wie sie aus Belgien, den Niederlanden und Deutschland bekannt sind, sind nach Jödicke (1997) in erster Linie auf das Fehlen geeigneter Biotope zurückzuführen. Innerhalb Deutschlands ist L. virens weit verbreitet, meist aber nur in kleinen Populationen anzutreffen.

In Nordrhein-Westfalen gehört L. virens zu den mäßig häufigen Arten, wobei Verbreitungsschwerpunkte in den verbliebenen Heide- und Moorlandschaften zu finden sind. So tritt die Art im Rheinland gehäuft z.B. in den Heidemooren im deutsch-niederländischen Grenzwaldgebiet [z.B. Kempkes Venn, 4702/2] (Jödicke et al. 1989), in der Wahner Heide [5108/2] (Barbón 1996) oder in der Dingdener Heide [4205/2] (Schiek 1998) auf. In Westfalen sind insbesondere die Senne (Hahn 1999), die Moore und Heiden des Westmünsterlandes (Olthoff & Ikemeyer 2003) und der Heubachniederung (Olthoff & Schmidt 2009), die Moore an der niedersächsischen Grenze (Clausen 1987) sowie das NSG Heiliges Meer [3611/2+4] zu nennen. Weitere kleinere Vorkommen sind zerstreut über das Tiefland Nordrhein-Westfalens anzutreffen (z.B. Heimann 2000; Schmidt 2005; Goertzen 2008a). Im Weserbergland findet sich L. virens in geringen Abundanzen fast ausschließlich im Oberwesertal sowie dem unmittelbar angrenzenden Bergland (Lohr 2010), Nachweise der Art aus dem Sauer- und Siegerland liegen kaum vor (Bußmann 2000; Schlüpmann  2000a).

In der älteren faunistischen Literatur bezeichnen Kolbe (1886) und Becker (1961) die Art als zuweilen häufig. Nach Angaben von Gries & Oonk (1975) kommt L. virens in Westfalen nur stellenweise, mit einem Verbreitungsschwerpunkt in den Moor- und Heidegebieten, vor. Auch für das Rheinland beschreibt Greven (1970) L. virens als Art dieser Lebensräume. In Gebieten wie dem südwestlichen Niederrheinischen Tiefland, in dem L. virens Ende der 1960er Jahre noch als „verbreitet“ eingestuft wurde (Greven 1970), hat sie seitdem starke Bestandseinbußen erlitten und war auf ein mehr oder weniger kleines Rückzugsareal beschränkt oder ausgestorben (Jödicke et al. 1989; Sennert & Thomas 1991). Insbesondere der landesweite Verlust großflächiger Heide- und Moorlebensräume in den letzten zwei Jahrhunderten hat sicherlich zu einer deutlichen Bestandsabnahme der Art geführt.

In den letzten Jahren hat sich die Situation für L. virens verbessert und die Art ist aktuell - vermutlich bedingt durch Klimaveränderungen - anscheinend wieder in Ausbreitung begriffen. Dabei profitiert sie auch von der Anlage von Artenschutz- und Bergsenkungsgewässern (vgl. Schmidt 2005).

Als eher wärmeliebende Art kommt L. virens hauptsächlich in Höhenlagen unter 200 m ü.NN vor, oberhalb von 300 m ü.NN wurde L. virens nur vereinzelt nachgewiesen. Der höchste Fundort (ohne Bodenständigkeitsnachweis) liegt in 600 m ü.NN Höhe im Sauerland.

Lebensräume in Nordrhein-Westfalen

An ihrem nordwestlichen Arealrand gelegen besiedelt Lestes virens in Nordrhein-Westfalen bevorzugt meso- bis oligotrophe Heide- und Moorgewässer wie Heideweiher, altbäuerliche Torfstiche, Moorkolke oder auch Gewässer auf nährstoffarmen Sanden. Dabei scheint die Art hier Gewässer mit dichten Sphagnum- (Torfmoos-) Rasen zu präferieren (vgl. Jödicke 1997, NVL 2002). Große Individuendichten erreicht L. virens an Gewässern mit einem Verlandungsgürtel aus Juncus effusus- (Flatter-Binse) Riedern, die für die Eiablage von großer Bedeutung sind. Da die Geschlechtsreife vorwiegend abseits der Gewässer vollzogen wird und auch ausgereifte Tiere oftmals abseits der Gewässer angetroffen werden, ist für die erfolgreiche Fortpflanzung eine Gewässerumgebung aus Feuchtheidevegetation sowie naturnahen Gras- oder Ruderalfluren förderlich (vgl. Jödicke et al. 1989, Schorr 1990, Ewers 1999). Die Art besiedelt auch meso- bis eutrophe, sommerwarme, meist ungenutzte, kleinere Stillgewässer mit gut ausgebildeter Verlandungszone aus Beständen von Carex spp. (Seggen), Juncus spp. (Binsen), Sparganium spp. (Igelkolben) und Typha spp. (Rohrkolben) in Heiden und nährstoffreicheren Mooren.

Weitere Faktoren, die sich positiv auf das Vorkommen von L. virens auswirken, sind stark schwankende Wasserstände und periodisch trockenfallende Flachwasserzonen. Diese Bedingungen sind besonders im Südwestfälischen Bergland nur selten gegeben, was nach Schlüpmann (2000b) ein Grund für die Seltenheit der Art in diesem Naturraum sein könnte. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde L. virens im Rheinland auch an langsam fließenden Bächen beobachtet (Le Roi 1915a).

Phänologie in Nordrhein-Westfalen

Der jahreszeitlich früheste Nachweis von Lestes virens in Nordrhein-Westfalen erfolgte am 05.06.(2003), der späteste am 20.11.(1984). Die langgezogene Emergenzperiode erstreckt sich zwischen Anfang Juni und Ende August und erreicht in der ersten Julidekade ihren Höhepunkt. Die Hauptflugzeit der Art liegt zwischen Mitte Juli und Ende September. An manchen Gewässern ist L. virens in der ersten Septemberhälfte die häufigste Libellenart und erreicht in Optimalhabitaten in diesem Zeitraum Dichten von 20 - 50 Individuen / 10 m2 Verlandungsgürtel (Jödicke et al. 1989). 

Gefährdung und Schutz

Lestes virens gilt in Deutschland als „gefährdet“ und steht in Nordrhein-Westfalen auf der „Vorwarnliste“ (Ott et al. 2015; Conze & Grönhagen 2011).

Als Ursachen für den Rückgang von L. virens lassen sich folgende Faktoren nennen: Die Zerstörung von Moor- und Heidelebensräumen durch Abtorfung, Kultivierung oder Aufforstung, die Verlandung der Fortpflanzungsgewässer durch zunehmenden Nährstoffeintrag, die Entwässerung von Feuchtgebieten, die Aufforstung von Moor- und Heidelebensräumen, die Kalkung dystropher Gewässer, ein erhöhter Fischbesatz, Grundwasserabsenkungen und das Verfüllen von Kleingewässern (vgl. Jödicke et al. 1983, Sennert & Thomas 1991, Binot-Hafke et al. 2000).

Die Art ist durch Erhalt und Renaturierung der verbliebenen Heide- und Moorlandschaften mit einem ausreichenden Gewässerangebot am besten zu schützen. Durch die Anlage geeigneter Kleingewässer wie Heideweiher oder Torfstiche kann L. virens außerdem gezielt gefördert werden. Sinnvolle Entwicklungsmaßnahmen zur Verbesserung bestehender oder potenzieller Fortpflanzungsgewässer sind unter anderem das Abflachen von steilen Ufern und die Schaffung von Flachwasserbereichen, die partielle Entschlammung der Gewässersohle, eine Extensivierung der umgebenden Flächen und die Freistellung von beschattenden Gehölzen (vgl. Jödicke et al. 1989, Artmeyer et al. 2000). Auch Wiedervernässungsmaßnahmen in Moorgebieten sind als ausgesprochen positiv für das Vorkommen von L. virens zu werten. Zur Umsetzung dieser Ziele sind Moorpflegeprogramme vorteilhaft. So hat die Durchführung eines solchen Programms im Kreis Viersen zu einer Stabilisierung der Bestände der Art geführt (vgl. Jödicke et al. 1989).

Zitiervorschlag

Heitzig T (2024): Kleine Binsenjungfer (Lestes virens). In: AG Libellenkunde NRW — Online-Atlas der Libellen Nordrhein-Westfalens. Heruntergeladen von libellenatlas-nrw.lwl.org am 05.12.2024

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