Westliche Keiljungfer
Gomphus pulchellus
Erstnachweis:
Nachweise im Atlas:
Anhang II :
Anhang IV:
Kartenansicht
Startjahr
Endjahr
Verbreitung und Bestandssituation
Gomphus pulchellus ist eine atlantomediterrane Art, deren Verbreitungsgebiet sich von der Iberischen Halbinsel über Frankreich, Belgien und die Niederlande bis nach Deutschland erstreckt (Dijkstra & Lewington 2006). Die Südostgrenze verläuft zurzeit von den französischen Seealpen über die Schweiz bis nach Österreich, wo seit den 1980er Jahren Fundmeldungen vorliegen (Gächter 1988). Aus Slowenien, Norditalien und Montenegro wurden bislang Einzelfunde gemeldet (Suhling 2015). Für Belgien ist die Art bereits sehr lange bekannt, der Erstnachweis liegt vor 1850. Nachdem im Zeitraum zwischen 1930 und 1960 nur sehr wenige Beobachtungen gemacht worden waren, nahmen die Bestände vor allem in den 1980er Jahren stark zu (de Knijf et al. 2006). In den Niederlanden zählt G. pulchellus nach einer vorübergehenden Abnahme bis in die 1950er Jahre momentan zu den häufigeren Arten, wobei sie einen deutlichen Vorkommensschwerpunkt in den südlichen und östlichen Landesteilen hat (NVL 2002). In Mitteleuropa hat sich das Areal seit Mitte des 19. Jahrhunderts beträchtlich nach Nordosten erweitert, diese Entwicklung hält bis heute an. Bildete der Rhein Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts noch die nordöstliche Grenze des geschlossenen Verbreitungsgebietes (Sternberg & Buchwald 2000), so reicht das Areal aktuell bis Schleswig-Holstein im Norden (Brock et al. 1997) und Sachsen-Anhalt (Müller & Walter 1993) im Nordosten. Im Südosten ist die Art seit 1977 in Bayern nachgewiesen (Eiseler & Eiseler 1981), von wo sie sich derzeit über Main und Donau weiter ostwärts ausbreitet (Kuhn & Burbach 1998). Für Niedersachsen publizierte Ringe (1963) erste Funde von G. pulchellus für die Umgebung von Osnabrück. Ziebell (1976) wies nur 13 Jahre später auf bodenständige Vorkommen im Norden Niedersachsens hin. Mittlerweile liegen aus allen dortigen Naturräumen Funde vor, in einigen Regionen – wie beispielsweise den südniedersächsischen Bördelandschaften – ist die Art häufig (Fischer & Heink 1997). In einigen Gebieten wie dem Oberweserraum ist seit den 1980er Jahren eine starke Bestandszunahme zu verzeichnen (Lohr 2010). In Rheinland-Pfalz ist die Art in allen Landesteilen verbreitet (Eislöffel et al. 1992). Auch hier nahmen die Beobachtungen vor allem seit den 1970er Jahren zu. Im nördlichen Rheinland-Pfalz werden bevorzugt die Niederungen besiedelt, während die höheren Lagen von Westerwald, Eifel, Hunsrück und Taunus weitgehend gemieden werden (Eislöffel 1989). In Hessen waren die bekannten Vorkommen bis in die 1970er Jahre auf die Rhein-Main-Ebene beschränkt (Flößer & Winkel 1994), seitdem ist auch hier eine Ausbreitung nach Mittelhessen (Patrzich et al. 1990) und nach Nordhessen (Lehmann 1991, Gottschalk & Stübing 2003) zu beobachten.
In Nordrhein-Westfalen zählt G. pulchellus zu den häufigen Arten. Sie ist im Tiefland unterhalb von 100 m ü.NN weit verbreitet. Dementsprechend hoch ist die Fundortdichte in den Großlandschaften Westfälisches und Niederrheinisches Tiefland sowie Westfälische und Niederrheinische Bucht. Trotz der Präferenz für tiefere Lagen dringt die Art in einigen Regionen weit ins Bergland vor. So wurde sie in der Eifel an mehreren Stellen bis in eine Höhe von fast 600 m ü.NN gefunden. Bodenständigkeitsnachweise gelangen hier jedoch bislang nicht. Im Sauer- und Siegerland besiedelt die Art Talsperren und Teiche und findet sich bis in Höhen von etwa 500 m ü.NN, wobei die Bodenständigkeit der Art bis etwa 350 m ü.NN belegt ist. Während G. pulchellus im Bergischen Land vor allem entlang der Täler von Wupper, Sieg und Ruhr zu finden ist und hier auch Talsperren der Nebentäler besiedelt, liegen für den sauerländischen Teil des Ruhrtals bislang nur vereinzelt Nachweise vor. Im Weserbergland liegt der Vorkommensschwerpunkt der Art in der Oberweserniederung, wo sie in hoher Stetigkeit und Abundanz Abgrabungsgewässer besiedelt. Aus dem angrenzenden Bergland sind bislang keine Funde oberhalb von 250 m ü.NN bekannt.
Aus dem Rheinland ist die Art seit Anfang des 20. Jahrhunderts bekannt, hier wurden zahlreiche Beobachtungen an der Siegmündung sowie bei Krefeld und Krickenbeck gemacht (le Roi 1915a). Kikillus & Weitzel (1981) stellen eine deutliche Häufigkeitszunahme fest und nennen zahlreiche Fundorte insbesondere aus dem Niederrheinischen Tiefland und der Niederrheinischen Bucht sowie zwei Einzelfunde aus dem Bergischen Land. Für das südwestliche Niederrheinische Tiefland beschreiben Jödicke et al. (1989) eine starke Ausbreitung der Art in den 1980er Jahren. Weit außerhalb des zum damaligen Zeitpunkt bekannten Areals der Art gelang Kolbe (1886) der Erstfund für Deutschland bei Münster, wo er am 02.06.1881 ein Tier an der Werse fing. Für den westfälischen Landesteil waren Funde von G. pulchellus bis Mitte der 1980er Jahre ausschließlich aus der Westfälischen Bucht und dem Westfälischen Tiefland bekannt. So wurde die Art mehrfach in der Umgebung von Münster (Schmidt 1926) sowie am Heiligen Meer bei Hopsten gefunden (Beyer 1956). Für Vorkommen im Dortmund-Ems-Kanal bei Münster vermutete Beyer (1938) eine Bodenständigkeit. Erst Mitte der 1980er Jahre wurde G. pulchellus auch im Weserbergland (Mensendieck & Kulbrock 1985) und im Süderbergland (Belz 1987) nachgewiesen. Wie im niedersächsischen Teil der Oberweserniederung ist auch auf der westfälischen Seite seit etwa 1990 eine starke Häufigkeitszunahme zu beobachten.
Lebensräume in Nordrhein-Westfalen
In Nordrhein-Westfalen besiedelt Gomphus pulchellus stehende bis langsam fließende Gewässer. Bevorzugt werden große freie Wasserflächen und Grundwasserzustrom. Von Bedeutung sind dabei offensichtlich Wasserbewegungen, die von einer Durchströmung oder von Wellenschlag ausgelöst werden (Schmidt 1988). Diese beeinflussen insbesondere Sauerstoffgehalt und Temperaturregime des Gewässers sowie die Substratbeschaffenheit der Gewässersohle und der Ufer. Die höchsten Dichten erreicht die Art an Uferabschnitten mit einer geringen Deckung der Ufervegetation, in geringen Dichten findet sie sich aber auch noch in Bereichen mit dichten Röhrichten am Ufer. Der Uferneigung kommt zumindest im Flachland offensichtlich keine entscheidende Rolle bei der Wahl des Gewässers zu, es werden sowohl Gewässer mit steilen als auch mit flachen Ufern besiedelt. In den höheren Lagen bevorzugt G. pulchellus flache, gut besonnte und sich schnell erwärmende Gewässer (Belz & Fuhrmann 2000). Geeignete Fortpflanzungshabitate von G. pulchellus finden sich vor allem in den größeren Flussniederungen. Hier nutzt die Art – ähnlich wie Erythromma lindenii (Pokaljungfer) – als Primärlebensräume strömungsarme Zonen der Fließgewässer einerseits sowie größere, ausdauernde Gewässer wie Altarme andererseits. Sekundär finden sich beide Arten regelmäßig auch in Abgrabungsgewässern. Die hohe Dichte von Sand- und Kiesgruben vor allem in den größeren Flusslandschaften wie Rhein und Weser hat die Ausbreitung von G. pulchellus gefördert. Weitere Sekundärlebensräume der Art sind Fisch- und Angelteiche, Talsperren und Stauseen. Auch Schifffahrtskanäle mit zum Teil hohem Verkehrsaufkommen werden regelmäßig besiedelt (Tittizer et al. 1989; Postler & Postler 2000; Schmidt 2000).
Phänologie in Nordrhein-Westfalen
Der Schlupf von Gomphus pulchellus beginnt zumeist Anfang Mai, ausnahmsweise gelang bereits am 25.04.(2007) ein Exuvienfund. Nur etwa zwei Wochen später wird in der zweiten Maidekade die Hauptschlupfzeit erreicht. Bei den ab Ende Juni gefundenen Exuvien dürfte es sich überwiegend um bereits einige Wochen alte Larvenhäute handeln. Nachweise von Imagines in der ersten Maidekade beziehen sich überwiegend auf Schlupfbeobachtungen, ausgereifte Tiere lassen sich ab Mitte Mai beobachten. Die Hauptflugzeit liegt zwischen Ende Mai und Mitte Juni. Vereinzelt fliegen Imagines auch noch im August, der letzte Nachweis gelang am 01.09.(1985).
Gefährdung und Schutz
Gomphus pulchellus wird in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen als „ungefährdet“ eingestuft (Ott et al. 2015; Conze & Grönhagen 2011).
Durch die starke anthropogene Zunahme künstlicher Gewässer wie Abgrabungen und Fischteiche hat die Art sich in den letzten Jahrzehnten ausgebreitet und ihre Bestände haben deutlich zugenommen. Für die ursprünglich von ihr besiedelten Fließgewässer waren zuvor jedoch Bestandsrückgänge zu verzeichnen, die vor allem durch zunehmende Gewässerbelastungen spätestens ab Anfang der 1950er Jahre ausgelöst wurden. Nachdem sich die Wasserqualität vieler Gewässer seit Ende der 1980er Jahre spürbar verbessert hat, mehren sich die Funde von G. pulchellus in Fließgewässern wieder. Gut dokumentiert ist dies für die Sieg, wo zunächst Le Roi (1915) Anfang des 20. Jahrhunderts Nachweise gelangen. Während Kikillus & Weitzel (1981) die Art dann in den 1970er Jahren nicht feststellen konnten, beobachtete Kiefer (1996) in den 1990er Jahren wieder größere Populationen. Ein ähnliches Verhalten zeigte auch Erythromma lindenii (Pokaljungfer), deren älteste Funde in Nordrhein-Westfalen aus schwach strömenden Fließgewässern stammen und von der erst in den letzten Jahren wieder zunehmend Beobachtungen an Fließgewässern gemacht wurden. Eine weitere Reduktion stofflicher Belastungen dürfte die Wiederbesiedlung von Fließgewässern auch durch G. pulchellus zusätzlich fördern.