Für die Menschen. Für Westfalen-Lippe.

Atlas der Libellen Nordrhein-Westfalens

Arbeitskreis Libellen NRW in Zusammenarbeit mit dem LWL-Museum für Naturkunde

Der Atlas zeigt Ihnen auf Basis von Topographischen Karten das Vorkommen heimischer Libellenarten. Probieren Sie es aus.

Zweigestreifte Quelljungfer

Cordulegaster boltonii

Erstnachweis:
Nachweise im Atlas:
Anhang II :
Anhang IV:
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Endjahr

 

Artfoto
Männchen von C. boltonii (18.06.2009). Foto: Thiess, L.

Verbreitung und Bestandssituation

Cordulegaster boltonii ist eine pontokaspische Art, die in großen Teilen West-, Mittel- und Nordeuropas verbreitet ist. Das Verbreitungsgebiet reicht von Nordwestafrika und der Iberischen Halbinsel im Südwesten über ganz Frankreich, Mittel- und Norditalien bis nach England und Südskandinavien im Norden (Dijkstra & Lewington 2006). Nach Osten löst sich das geschlossene Areal auf und Ausläufer und Vorposten reichen bis Polen und Russland. Innerhalb dieses Verbreitungsgebietes tritt die Art in mehreren Unterarten auf. In Mitteleuropa und damit in ganz Deutschland fliegt die Nominatform C. boltonii boltonii, die sich vor allem durch die reduzierten gelben Flecken auf dem Abdomen von den anderen Unterarten unterscheidet. Während aus Belgien eine Vielzahl von Nachweisen mit einem Schwerpunkt in den Ardennen vorliegen (de Knijf et al. 2006), kommt die Art in den benachbarten Niederlanden aktuell nur im Südosten vor (NVL 2002). In Deutschland liegen Nachweise aus allen Flächenbundesländern vor (Müller & Schorr 2001), ohne dass eine geschlossene Verbreitung vorliegt. Die Art hat in Niedersachsen ihr Schwerpunktvorkommen in der Süd- und Nordheide, während das Weser- und Leinebergland sowie der Harz zerstreut besiedelt sind (Altmüller et al. 1989).

Cordulegaster boltonii gehört in Nordrhein-Westfalen zu den mäßig häufigen Arten. Ihr Verbreitungsschwerpunkt liegt im Bereich der Mittelgebirge, größere Populationen gibt es auch in wenigen Gebieten des Flachlandes, wie in der Schwalm-Nette-Platte [4702/3+4], der Kirchheller [4306/4] und Dingdener Heide [4205/2] sowie der Senne [4118/3+4].

Die Art wurde schon von Selys-Longchamps & Hagen (1850); Leydig (1881) und Kolbe (1886) für das Gebiet des heutigen Nordrhein-Westfalens angegeben. Le Roi (1907, 1915) nennt Vorkommen in der Eifel, im Raum Bonn und im Siegtal. Weitere historische Fundorte werden von Dobbrick (1934), Münchberg (1964) sowie Kikillus & Weitzel (1981) und Fränzel (1985) genannt. In vielen Fällen handelt es sich um auch heute noch bestehende Vorkommen. So bezieht sich Leydig (1881) auf die Wahner Heide [5008/4] und Le Roi (1907) auf das Perlenbachtal [5403/3], wo die Art jeweils auch heute noch vorkommt.

Gemäß ihres Verbreitungsschwerpunktes in den Mittelgebirgen gehört C. boltonii zu den Arten, die überproportional in Höhenlagen über 200 m ü.NN zu finden sind. Hier liegen mehr als die Hälfte der festgestellten Vorkommen. Etwa 10 % der Funde gelangen sogar oberhalb von 500 m ü.NN. Der höchst gelegene Fundort wurde im NSG Elberndorfer Bachtal [4915/3] im Kreis Siegen-Wittgenstein bei 640 m ü.NN festgestellt (dort ist die Art auch bodenständig).

Cordulegatser boltonii ist in den meisten Gegenden häufiger als ihre Schwesterart Cordulegaster bidentata (Gestreifte Quelljungfer), mit der sie im Bergland nicht selten in denselben Bachsystemen angetroffen wird. Während die Vorkommen von C. boltonii im Flachland auf Grund der nur lokal geeigneten Lebensräume weitgehend bekannt sind, ist der Erfassungsgrad im Bergland sicher noch unvollständig. Im Gegensatz zur Schwesterart liegen bei ihr auch weniger Hinweise auf Bodenständigkeit vor. Exakte Zahlen oder Untersuchungen zur Größe der Populationen sind kaum bekannt.

Lebensräume in Nordrhein-Westfalen

Cordulegaster boltonii besiedelt in Nordrhein-Westfalen naturnahe Bäche, die zumeist im Wald gelegen sind. Seltener wurden Beobachtungen an Gräben oder kleine Flüssen genannt (Schmidt 1996b; Lohr 2010; Fastenrath 1932). Nur vereinzelt liegen Beobachtungen an Stillgewässern vor, die immer in der Nähe von naturnahen Bächen oder Bachstauen gelegen sind. In mehreren Eifeltälern werden durch Biber entstandenen Teiche besiedelt.

Die besiedelten Bachabschnitte sind weitestgehend unbefestigt und weisen eine natürliche oder naturnahe Sohlstruktur auf. Im Bergland sind es zumeist Abschnitte mit vielfältigem Strömungsmuster, die ein Mosaik von verschiedenen Sohlsubstraten zeigen und schwach durchströmte, mit Feinsediment und Grobdetritus gefüllte “Gumpen” enthalten. Diese Bereiche sind bevorzugte Larvenlebensräume.

Im Flachland werden meist naturnahe Sand- oder Niederungsbäche im Wald besiedelt. Auch hier finden sich Abschnitte mit geeigneten Larvalhabitaten in der strukturreichen Sohle. Die genannten Bachabschnitte weisen meist ein gute Wasserqualität und eine zumindest im Interstitial (Lückensystem im Sohlsubstrat) ständige Wasserführung auf. Die Breite der besiedelten Bachabschnitte liegt bei maximal drei bis vier Metern, es werden aber auch schmale, oft schon quellnahe Abschnitte besiedelt, in denen gleichzeitig auch Larven von C. bidentata gefunden werden konnten (Fränzel, 1985; Stevens & Riedel 2001).

Phänologie in Nordrhein-Westfalen

Cordulegaster boltonii fliegt in Nordrhein-Westfalen von Mitte Mai bis Ende August, ausnahmsweise bis in den Oktober hinein. Die Hauptflugzeit der Art liegt im Juli. Der früheste Nachweis der Art stammt vom 11.05.(2003), der späteste vom 21.09.(1941). Phänologische Unterschiede sind vermutlich durch das Temperaturregime im jeweiligen Fließgewässersystem begründet und können auch lokal an benachbarten Bächen auftreten.

Gefährdung und Schutz

Cordulegaster boltonii gilt in Deutschland als „ungefährdet“ und wird in Nordrhein-Westfalen als „gefährdet“ eingestuft (Ott et al. 2015; Conze & Grönhagen 2011).

In Nordrhein-Westfalen ist die Art insgesamt selten. Vor allem im Flachland beschränken sich die Vorkommen auf wenige Gebiete, in denen sie zumeist die noch erhaltenen Reste naturnaher Fließgewässersysteme besiedelt. Als wesentliche Gefährdungsursache ist hier neben überhöhten landwirtschaftlichen Nährstoffeinträgen eine zu intensive Gewässerunterhaltung zu sehen (vgl. Altmüller & Clausnitzer 2010).

Im Bergland ist sie weiter verbreitet, aber keineswegs häufig. Auch hier bilden die naturnahen Fließgewässerabschnitte die Basis der Besiedlung. Obwohl keine negative Bestandsentwicklung erkennbar ist, besteht eine potentielle Gefährdung durch die Beeinträchtigung besiedelter Abschnitte. Gesetzliche Regelungen gemäß § 62 des Landschaftsschutzgesetzes von Nordrhein-Westfalen und die EU-Wasserrahmenrichtlinie geben Anlass zu der Hoffnung, dass in absehbarer Zukunft kein größerer Verlust an Lebensräumen zu erwarten ist. Eine Ausnahme stellt das Gebiet der Kirchheller Heide [4306/4] dar, in dem durch den Steinkohlebergbau mit größeren Bergsenkungen und damit gravierenden Änderungen des Wasserhaushaltes zu rechnen ist. Derzeit ist nicht eindeutig absehbar, ob sich diese Veränderungen negativ auf die Lebensräume von C. boltonii auswirken werden. Ein Monitoring – auch der Libellenfauna – begleitet die Ausweitung des Bergbaus in diesem Gebiet. 

Zitiervorschlag

Tetzlaff A, Conze KJ (2024): Zweigestreifte Quelljungfer (Cordulegaster boltonii). In: AG Libellenkunde NRW — Online-Atlas der Libellen Nordrhein-Westfalens. Heruntergeladen von libellenatlas-nrw.lwl.org am 29.03.2024

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