Fledermaus-Azurjungfer
Coenagrion pulchellum
Erstnachweis:
Nachweise im Atlas:
Anhang II :
Anhang IV:
Kartenansicht
Startjahr
Endjahr
Verbreitung und Bestandssituation
Das Verbreitungsgebiet von Coenagrion pulchellum, einer pontokaspischen Art, erstreckt sich von West- und Mitteleuropa über weite Teile Südeuropas und die südlichen Bereiche der Skandinavischen Halbinsel. Nordrhein-Westfalen liegt damit innerhalb des mitteleuropäischen Kernareals der Art. In Deutschland befindet sich der Verbreitungsschwerpunkt in der Norddeutschen Tiefebene, in Mittel- und Süddeutschland bestehen große Lücken (Brockhaus et al. 2015).
In Nordrhein-Westfalen ist C. pulchellum derzeit als eine mäßig häufige Art einzustufen. Mit wenigen Ausnahmen stammen die meisten Fundmeldungen aus der Westfälischen Bucht und dem Niederrheinischen Tiefland. Die aktuellen Nachweise zeigen Schwerpunkte vor allem entlang der Flussauen von Ems (Artmeyer 2000), Lippe (Bauhus 1996a) und Rhein (Jödicke 1995, Borcherding 1997). In höheren Lagen des Südwestfälischen Berglandes fehlt die Art fast vollständig (Schlüpmann 2000b). Das höchstgelegene, gleichzeitig auch bodenständige Vorkommen fand Burkhard Grebe 1999 im NSG Dahlemer Binz in der Eifel im Kreis Euskirchen auf 580 m ü.NN.
C. pulchellum war in der Westfälischen Bucht einst weit verbreitet (Gries & Oonk 1975) und im Rheinland kam die Art nach Le Roi (1915) an stehenden Gewässern der Ebene „verbreitet und nicht selten“ vor. Wie aus der Verbreitungskarte ersichtlich, konnten viele der Vorkommen jedoch nach 1950 nicht mehr bestätigt werden, was den starken Rückgang der Art verdeutlicht. Nach Greven (1970) und Kikillus & Weitzel (1981) flog die Art im Rheinland bis 1960 sowohl in der Ebene als auch in einigen Tälern und Senken der Mittelgebirge, wurde danach aber nur noch in der Rheinebene nachgewiesen. Eine negative Bestandsentwicklung stellten auch Jödicke et al. (1983) im südlichen Niederrheinischen Tiefland fest. Langjährige Beobachtungen an einem Altarm zeigten, dass C. pulchellum dort erhebliche Bestandsschwankungen aufwies und jahrweise sogar ausfiel (Jödicke 1995). In den benachbarten Niederlanden stellt sich die Situation völlig anders dar. Dort ist die Art teilweise weit verbreitet und gehört zu den ungefährdeten Libellenarten (NVL 2002).
Lebensräume in Nordrhein-Westfalen
Coenagrion pulchellum besiedelt in Nordrhein-Westfalen vorzugsweise ältere, nicht selten nährstoffreiche Gewässer, welche sich durch eine vielseitige Wasser- und Ufervegetation mit Tauchblatt-, Schwimmblatt- und Röhrichtpflanzen auszeichnen (z. B. Altgewässer, naturnahe Teichanlagen, Seen). Vegetationsarme Gewässer in frühen Sukzessionsstadien sowie stark eutrophierte Gewässer werden hingegen gemieden. Daneben kommt C. pulchellum deutlich seltener an moorigen Gewässern vor. Einige Nachweise stammen aus abgetorften und stark veränderten Hochmooren sowie Moorweihern. Hier werden oftmals Gewässer besiedelt, die durch Nährstoffeintrag beeinträchtigt sind. Eine der größten Populationen in Nordrhein-Westfalen findet sich im NSG Fleuthkuhlen [4404/3] (Jödicke & Santens 1992). Die Art ist an vielen niederrheinischen Altgewässern weit verbreitet, wobei die Häufigkeit von Coenagrion puella (Hufeisen-Azurjungfer) stellenweise übertroffen wird (Jödicke 1995). In der Emsaue des Kreises Steinfurt wurde die Art zwar an 8 von 13 untersuchten Altgewässern festgestellt, aber nur zwei Altarme wiesen hohe Abundanzen auf (Artmeyer 1997). Ein großes Vorkommen findet sich in den schwimmblattreichen Gewässern des NSG Heiliges Meer [3611/2+4]. C. pulchellum besiedelt die Altgewässer in Nordrhein-Westfalen oftmals gemeinsam mit Libellula fulva (Spitzenfleck), Brachytron pratense (Früher Schilfjäger) und Aeshna grandis (Braune Mosaikjungfer).
Phänologie in Nordrhein-Westfalen
Die Schlupf- und Flugzeit von Coenagrion pulchellum beginnt Anfang Mai, in warmen Frühjahren bereits im April. Die früheste Beobachtung der Art liegt vom 24.04.(2003) vor. Die Hauptflugzeit erstreckt sich bis Anfang Juli. Bis Ende August können jedoch noch Einzeltiere beobachtet werden. Als spätester Nachweis in NRW gilt eine Beobachtung vom 19.08.(2005).
Gefährdung und Schutz
Coenagrion pulchellum gilt in Deutschland und Nordrhein-Westfalen als „gefährdet“ (Ott et al. 2015; Conze & Grönhagen 2011). Der Bestandsrückgang von C. pulchellum ist vor allem auf die Eutrophierung vieler Fortpflanzungsgewässer zurückzuführen. Die erhöhten Nährstoffeinträge (Landwirtschaft, Luft-Stickstoff) fördern die Verlandung der Gewässer und bewirken eine Veränderung der Wasser- und Ufervegetation. Hiervon betroffen sind insbesondere die Altgewässer der Flussauen. In den Flussniederungen fördert zudem eine durch die Ausbaumaßnahmen bedingte verringerte Hochwasserhäufigkeit eine Verschlammung der Altarme und verhindert die Entstehung neuer Altgewässer. Weitere Gefährdungsursachen sind die Beschattung der Gewässer durch Gehölze und ein unnatürlich hoher Fischbesatz. In den Flussauen ist zu empfehlen, verlandete Altgewässer zu entschlammen, sie ggf. zumindest einseitig an die Fließgewässer anzubinden und die Ufergehölze bei starker Beschattung zu entfernen. Darüber hinaus sollte eine intakte Fließgewässerdynamik wiederhergestellt werden, wodurch neue Auengewässer entstehen können.