Für die Menschen. Für Westfalen-Lippe.

Atlas der Libellen Nordrhein-Westfalens

Arbeitskreis Libellen NRW in Zusammenarbeit mit dem LWL-Museum für Naturkunde

Der Atlas zeigt Ihnen auf Basis von Topographischen Karten das Vorkommen heimischer Libellenarten. Probieren Sie es aus.

Speer-Azurjungfer

Coenagrion hastulatum

Erstnachweis:
Nachweise im Atlas:
Anhang II :
Anhang IV:
Kartenansicht
Startjahr

Endjahr

 

Verbreitung und Bestandssituation

Coenagrion hastulatum gehört zu den eurasiatischen Faunenelementen und ist innerhalb Europas schwerpunktmäßig im Nordosten anzutreffen. Inselartige Vorkommen sind aus den höheren Lagen Südfrankreichs und aus Schottland bekannt (Dijkstra & Lewington 2006). Wenige Nachweise liegen auch aus den Niederlanden und Belgien vor, wo die Art jedoch sehr selten ist (NVL 2002, de Knijf et al. 2006). In Deutschland existieren Nachweise aus jedem Bundesland (Brockhaus et al. 2015), die Art ist regional jedoch unterschiedlich häufig anzutreffen. Neben einem Verbreitungsschwerpunkt in nährstoffarmen Gewässern im Alpenvorland (Kuhn & Burbach 1998) und Ostdeutschland (Brockhaus & Fischer 2005) sind die Vorkommen in Niedersachsen (z.B. Ewers 1999) von deutschlandweiter Bedeutung. Die Vorkommen in Nordrhein-Westfalen liegen im Bereich der westlichen Arealgrenze der Art.

C. hastulatum gehört zu den seltenen Arten in Nordrhein-Westfalen. Aktuell sind nur wenige, oftmals individuenarme Vorkommen bekannt. Diese konzentrieren sich im Norden des Bundeslandes auf die Westfälische Bucht und das Westfälische Tiefland, wo z.B. die NSG’s Zwillbrocker Venn [3906/1], Ammeloer Venn [3806/4], Oppenweher Moor [3417/3] und Großes Torfmoor [3618/3] sowie die Senne [4117/3, 4118/2-4] besiedelt sind. Außerhalb dieser Naturräume konnte die Art aktuell nur noch in den NSG’s Schwarzes Wasser [4305/1], Wahner Heide [5109/3], Vennhochfläche bei Mützenich [5403/1] und Dahlemer Binz [5505/3] nachgewiesen werden. Aus dem Südwestfälischen Bergland liegen keine Fundmeldungen vor, was auf das Fehlen entsprechender Lebensräume zurückzuführen ist.

C. hastulatum war in Nordrhein-Westfalen von je her nicht weit verbreitet. In Teilen Westfalens wurde die Art von Kolbe (1886) als „überall vereinzelt“ beschrieben, Gries & Oonk (1975) bezeichnen die Art „an Heide- und Moorgewässern (...) teils etwas häufiger als die anderen Agrion-Arten“. Bei einem Großteil der bisher bekannten Fundorte konnte die Art aktuell nicht mehr bestätigt werden, so z.B. im NSG Heiliges Meer [3611/2+4], im NSG Fürstenkuhle [4008/3] (Schmidt 1997), am Heideweiher im Fürstenbusch bei Borken (N. Menke mündl. Mitt.) und auf dem Truppenübungsplatz Borkenberge (Olthoff & Schmidt 2009). Auch Hahn (1998) berichtet von einem Rückgang der Art in der Senne und befürchtet ein mögliches Verschwinden der Art.

Für das Rheinland bezeichnete Le Roi (1915) die Art als „an Teichen und Seen von moorigem Charakter im Gebirge und der Ebene recht verbreitet und oft häufig“. Bis in die 1960er Jahre war die Art am Niederrhein vereinzelt vor allem in den Heidemooren verbreitet (Greven 1970), konnte aber von Joedicke et al. (1989) nicht mehr bestätigt werden und wurde von ihnen als „im Gebiet ausgestorben“ bezeichnet. Kikillus & Weitzel (1981) konstatieren in den 1980er Jahren einen starken Rückgang für das gesamte Rheinland.

In den Mittelgebirgslagen des Hohen Venns profitierte C. hastulatum von Wiedervernässungen kleiner Zwischenmoore Anfang der 1990er Jahre. So hat sich im NSG Vennhochfläche bei Mützenich [5403/1] an drei kleinen Moorgewässern eine kleine aber stabile Population etabliert (Aletsee 2005a, 2010), die mit 620 m ü.NN auch den aktuell höchsten bekannten Fundpunkt der Art in NRW bildet. Aus dem NSG Dahlemer Binz [5505/3] ist C. hastulatum seit 1983 bodenständig bekannt (Schmidt 1986) und konnte 2010 noch mit wenigen Imagines bestätigt werden. Hier ist die Art jedoch durch Verbuschung des Gewässers gefährdet.

Negative Bestandstrends wurden auch in angrenzenden Ländern festgestellt (z.B. für die Niederlande: NVL 2002, Bouwman et al. 2008, für Hessen: Stübing et al. 2008 und für Niedersachsen: Altmüller & Clausnitzer 2010). Der Bestandsrückgang der Art ist primär mit dem Verlust der Moor- und Heidelebensräume zu erklären. Ein Großteil dieser ist in den letzten Jahrzehnten zerstört worden oder hat sich derart geändert, dass er als Lebensraum für C. hastulatum ungünstig geworden ist.

Lebensräume in Nordrhein-Westfalen

Coenagrion hastulatum besiedelt in Nordrhein-Westfalen vorwiegend moorige bzw. anmoorige Gewässer. Funde sind aus altbäuerlichen Torfstichen in degradierten Hochmooren und einzelnen Moorweihern bekannt (z. B. Schmidt 1986, Olthoff 2010). Seltener besiedelt die Art auch dystrophe Kleingewässer sandiger Gebiete. Dabei handelt es sich oftmals um Gewässer in ehemaligen Sandgruben (Hahn 1989). Die Vegetation der Gewässer besteht meistens aus lückigen und strukturreichen Beständen von Carex spp. (Seggen) oder Juncus spp. (Binsen).

Das Vorkommen im Hohen Venn umfasst eine weite Spanne verschiedener dystropher Gewässertypen (ursprüngliche Palsen mit Kolken, restaurierte Palsen, dystrophe Weiher), wobei sie in den restaurierten Palsen gehäuft auftritt (Aletsee 2005a). Heterogene mosaikartige Vegetationsstrukturen aus Carex rostrata (Schnabel-Segge), Eriophorum angustifolium (Schmalblättriges Wollgras) und Sphagnum fallax (Trügerisches Torfmoos) wechseln sich mit offenen Wasserflächen sowie flutenden Beständen von Juncus bulbosus (Zwiebel-Binse), Utricularia spp. (Wasserschlauch) und Potamogeton polygonifolius (Knöterich-Laichkraut) ab.

Phänologie in Nordrhein-Westfalen

Coenagrion hastulatum zählt zu den Frühjahrsarten. Die Schlupf- und Flugperiode beginnt normalerweise Anfang Mai und erstreckt sich bis in den Juli. Der jahreszeitlich früheste Nachweis stammt vom 25.04.(1972). Vereinzelt können Tiere bis in den August beobachtet werden. Der späteste Nachweis stammt vom 30.08.(1933).

Gefährdung und Schutz

Coenagrion hastulatum wird in Deutschland als „gefährdet“ und in Nordrhein-Westfalen als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft (Ott et al. 2015; Conze & Grönhagen 2011).

In Nordrhein-Westfalen setzte ein Bestandsrückgang vermutlich bereits im 19. Jahrhundert ein, als eine immer intensivere Landnutzung zu einem weitgehenden Verlust ehemals großflächiger Heide- und Moorlandschaften führte. Hierdurch verringerte sich das Angebot geeigneter Fortpflanzungsgewässer für die Art. Heute beeinträchtigt die zunehmende Eutrophierung der Landschaft die wenigen verbliebenen nährstoffarmen Fortpflanzungsgewässer und beschleunigt die Verlandung und Verbuschung. In den noch vorhandenen Moor- und Heidegebieten entwickeln sich die von C. hastulatum benötigten lichten Vegetationsstrukturen an den Fortpflanzungsgewässern auf Grund des Nährstoffseintrags nicht selten zu dichten Binsen- oder Weidenbeständen, was zum Verschwinden der Art führt.

Auf Grund der Lage im Bereich der westlichen Arealgrenze besitzt Nordrhein-Westfalen für die Bestandserhaltung von C. hastulatum eine große Bedeutung. Für ihren Schutz sind in erster Linie die wenigen Populationen im Land mit entsprechenden Maßnahmen zu optimieren. Hierzu gehören die Unterdrückung der Sukzession (z. B. durch Gehölzentnahme) und die Anlage von Pufferstreifen um die Gewässer. Daneben sollten sich die Schutzmaßnahmen auf die Schaffung neuer Gewässer konzentrieren. In Moor- und Sandlandschaften empfiehlt sich vor allem angrenzend zu bereits bestehenden Populationen die Neuanlage von Torfstichen und nährstoffarmen Kleingewässern. Zur Bestandserholung ist eine weitere konsequente Renaturierung der Moorgebiete durch Wiedervernässung notwendig. Im Hohen Venn hat die Restauration von Palsen zu einer erheblichen Stärkung der Population geführt (Aletsee 2005a). Generell sollte für C. hastulatum ein Artenschutzprogramm in Nordrhein-Westfalen entwickelt werden.

Zitiervorschlag

Artmeyer C (2024): Speer-Azurjungfer (Coenagrion hastulatum). In: AG Libellenkunde NRW — Online-Atlas der Libellen Nordrhein-Westfalens. Heruntergeladen von libellenatlas-nrw.lwl.org am 05.12.2024

Beobachtungen

 

  lade die Beobachtungen ...